Eine kleine Unachtsamkeit und schon ist es passiert: Rund 390.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle und 90.000 Wegeunfälle gab es laut der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen im ersten Halbjahr 2023. Denn auch wenn Schutzausrüstung, Präventionsmaßnahmen und Sicherheitsschulungen dazu beitragen, Unfallrisiken zu verringern, lassen sich nicht alle Unfälle vermeiden. Das gilt insbesondere für handwerkliche Berufe und da wiederum für Beschäftigte im Baugewerbe, die es am häufigsten trifft. Für Handwerksbetriebe ist es deshalb besonders wichtig, vorbereitet zu sein und zu wissen, wie sie sich bei einem Arbeitsunfall korrekt zu verhalten haben.
Wann Sie einen Arbeitsunfall melden müssen und welche Regeln laut Neufassung der Unfallversicherungs-Anzeigenverordnung (UVAV) von 2023 gelten, erfahren Sie in diesem Blogartikel
Was gilt als Arbeitsunfall?
Als Arbeitsunfall zählen laut § 193 Abs. 1 SGB VII alle Unfälle, die während einer versicherten Tätigkeit oder einer Dienstreise passieren. Dazu zählen auch Unfälle Ihrer Belegschaft, die im Homeoffice, beim Betriebssport oder auf Betriebsfeiern passieren. Neben Arbeitsunfällen sind auch Wegeunfälle abgedeckt, also Unfälle auf dem direkten Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause. Versichert sind auch „Umwege“, beispielsweise, um ein Kind zum Kindergarten zu bringen oder sich mit Kollegen für eine Fahrgemeinschaft zu treffen.
Private Umwege und Stopps sind dagegen nicht versichert, genauso wie Unfälle in der Kantine. Auch wenn einer Ihrer angestellten Handwerker den Weg zur Arbeit länger als zwei Stunden unterbricht, entfällt der Versicherungsschutz für die restliche Strecke.
Achtung: Trägt Ihr Mitarbeiter entgegen Ihrer Anweisung keine Schutzausrüstung und kommt es deshalb zu einem Unfall, liegt kein Arbeitsunfall vor!
Im Betrieb ist ein Arbeitsunfall passiert: 5 wichtige Schritte
Wie ein Arbeitsunfall zu melden ist, regelt die Unfallversicherungs-Anzeigenverordnung (UVAV). Laut der im Juli 2023 veröffentlichten UVAV-Novelle sind seit Anfang 2024 auch digital übermittelte Unfallanzeigen möglich.
Erfahren Sie in den folgenden Schritten, wie Sie konkret vorgehen, wenn einer Ihrer Mitarbeiter einen Arbeitsunfall hat:
- Medizinische Versorgung
Bei jedem Arbeitsunfall müssen Erste-Hilfe-Maßnahmen erfolgen. Bei schweren Verletzungen muss der Mitarbeiter sofort in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Sorgen Sie dafür, dass der Unfallbereich abgesichert wird, um weitere Verletzte zu vermeiden.
Zum Glück ist nicht jeder Unfall schwerwiegend. Selbst dann, wenn nur ein Pflaster nötig ist und der Betroffene sich selbst verarzten kann, muss dies im Verbandbuch Ihres Betriebes vermerkt werden. Kommt es zu unerwarteten Folgeschäden, ist ansonsten der Versicherungsschutz gefährdet!
Achtung! Bewahren Sie das Verbandbuch Ihres Betriebes mindestens 5 Jahre lang auf. Es gibt keine Vorschriften, wie Sie den Unfall dokumentieren müssen. Tragen Sie jedoch immer den Namen des verletzten Mitarbeiters, das Datum und den Ort des Unfalls, den Unfallhergang, die Namen von Zeugen, die Art der Verletzung, Erste-Hilfe-Leistungen und die Namen der Ersthelfer ein. Achten Sie dabei auf die Einhaltung der DSGVO.
Wichtig: Nach einem Arbeitsunfall muss der Verletzte immer einen Durchgangsarzt aufsuchen, der als Spezialist für Unfallchirurgie eine Diagnose erstellt und die weitere Therapie übernimmt sowie koordiniert. Der behandelnde Arzt übermittelt zudem die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) an die zuständige Krankenkasse und weist darauf hin, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt. - Unfall fristgerecht melden
Ist Ihr Mitarbeiter nur leicht verletzt und fällt nicht länger als drei Kalendertage aus, besteht bei Arbeits- und Wegeunfällen keine Anzeigepflicht. Ist er mindestens drei Tage krankgeschrieben, müssen Sie oder ein Bevollmächtigter den Unfall bei der zuständigen Berufsgenossenschaft – etwa der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – innerhalb einer Drei-Tage-Frist melden. Dabei zählen auch Samstage, Sonntage und Feiertage mit. Der Unfalltag selbst wird nicht eingerechnet. Schwere Verletzungen und tödliche Unfälle müssen Sie unmittelbar melden! - Unfallanzeige digital oder per Post übermitteln
Als Handwerksbetrieb können Sie die Unfallanzeige seit dem 1. Januar 2024 auch digital bei den jeweiligen Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung ausfüllen und elektronisch übermitteln. Es ist auch möglich, sich das Formular bei den Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen herunterzuladen – beispielsweise bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallkasse DGUV – und das ausgefüllte und unterschriebene Formular auf dem Postweg oder per Fax zurückzuschicken. Eine Unfallanzeige auf Papier ist jedoch ein Auslaufmodell: Ab 2028 können Sie einen Arbeitsunfall nur noch digital melden!
Weitere Neuerungen laut Novellierung der UVAV von 2023 sind unter anderem die Angabe von „divers“ beim Geschlecht sowie die Auswahlmöglichkeit „Homeoffice“ beim Unfallort. - Weiteren Informationspflichten nachkommen
Für Handwerksbetriebe gilt die allgemeine Arbeitsschutzaufsicht, das heißt, Sie müssen den Unfall auch der für Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörde, etwa dem Gewerbeaufsichtsamt oder dem Staatlichem Amt für Arbeitsschutz, melden. Die Adressen finden Sie hier.
Außerdem müssen Sie – sofern in Ihrem Betrieb vorhanden – folgende Personen über den Arbeitsunfall informieren:
- Fachkraft für Arbeitssicherheit (SIFA)
- Betriebsarzt/-ärztin
- Betriebsrat, der die Unfallanzeige unterschreiben muss
Denken Sie außerdem daran, Ihren Mitarbeiter zu informieren, dass er eine Kopie von der Unfallanzeige erhalten kann. Zusätzlich müssen Sie ein Exemplar der Unfallanzeige in Ihrem Unternehmen zur Dokumentation aufbewahren. - Für Aufklärung und Prävention sorgen
Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet aufzuklären, warum es zu dem Unfall gekommen ist. Dafür müssen gegebenenfalls Kollegen befragt und Beweise gesichert werden. Hat der Mitarbeiter grob fahrlässig gehandelt – beispielsweise, weil er betrunken war – kann der Versicherungsschutz entfallen. Steht die Ursache des Unfalls fest, müssen Sie Präventionsmaßnahmen (z. B. Schulungen, verbesserte Arbeitsabläufe) ergreifen, um das Risiko für einen erneuten Unfall zu minimieren.
Versicherungsschutz für Mitarbeitende eines Handwerkbetriebs
Bei einem Arbeitsunfall kommt Ihre zuständige Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die Kosten der medizinischen Behandlung Ihres Mitarbeiters auf. Kann er aufgrund des Unfalls nicht arbeiten, hat er für die Dauer von sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das heißt, Sie zahlen Ihrem Mitarbeiter weiterhin in voller Höhe sein Gehalt. Ist der Mitarbeiter auch sechs Wochen nach dem Unfall nicht arbeitsfähig, erhält er von der Berufsgenossenschaft ein sogenanntes Verletztengeld in Höhe von 80 Prozent des Bruttolohns, abzüglich der Arbeitgeberanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung. Das Verletztengeld wird zwar von der Krankenkasse ausgezahlt, stammt aber von den Trägern der Unfallversicherung. Es wird in der Regel bis maximal 78 Wochen gezahlt.
Hinweis: Ist ein Mitarbeiter weniger als vier Wochen durchgehend in Ihrem Unternehmen beschäftigt und es kommt zu einem Arbeitsunfall, erhält Ihr Mitarbeiter keine Entgeltfortzahlung. In diesem Fall zahlt die Berufsgenossenschaft in voller Höhe Verletztengeld.
Die Berufsgenossenschaft übernimmt außerdem die Kosten für Reha-Maßnahmen und unterstützt bei der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung Ihres Mitarbeiters. Bei bleibenden Schäden zahlt sie eine Rente. Zusätzlich hilft sie mit Schulungen und Präventionsmaßnahmen Ihren Betrieb sicherzumachen und damit Ihre Mitarbeitenden vor Unfällen zu schützen.
Versicherungsschutz für selbstständige Handwerker und Unternehmer
Selbstständige und Unternehmer sind nicht automatisch unfallversichert. Sie können sich aber freiwillig gegen die Folgen von Arbeits- und Wegeunfällen absichern. Gerade in Handwerksbetrieben ist es häufig der Regelfall, dass der Chef oder die Chefin handfest mitanpacken und so auch ihr Risiko erhöht ist, sich bei der Arbeit zu verletzen. Deshalb sollten auch Sie sich absichern und bei der zuständigen Berufsgenossenschaft einen Antrag stellen. Die Höhe des Beitrags richtet sich nach der Versichertensumme.
Arbeitsunfall: Checkliste für Handwerksbetriebe
- Leisten Sie Erste-Hilfe oder rufen Sie den Notarzt
- Melden Sie schwere oder tödliche Unfälle sofort
- Melden Sie den Arbeitsunfall innerhalb der Drei-Tage-Frist, wenn Ihr Mitarbeiter mindestens drei Tage ausfällt
- Dokumentieren Sie leichte Verletzungen im Verbandbuch
- Informieren Sie alle gesetzlich vorgeschriebenen Stellen
- Schalten Sie einen Übergangsarzt ein
- Unterstützen Sie Ihren Mitarbeiter, gesund zu werden und bei allen Fragen rund um seinen Versicherungsschutz
- Untersuchen Sie den Arbeitsunfall und verhindern Sie durch Präventionsmaßnahmen, dass sich der Unfall wiederholt
- Helfen Sie Ihrem Mitarbeitenden – falls nötig – bei der Wiedereingliederung
Fazit
Ein Arbeitsunfall ist schnell passiert. Insbesondere in Branchen wie dem Baugewerbe, in denen viel körperlich gearbeitet wird, sind die Zahlen laut Berufsgenossenschaften hoch. Unternehmen und Handwerksbetriebe sollten deshalb – trotz betrieblicher Sicherheitsvorkehrungen – auf die Möglichkeit eines Arbeitsunfalls vorbereitet sein, um schnell und korrekt handeln zu können. Der Praxis-Guide für Handwerksbetriebe zeigt, wie Betriebe vorgehen sollten und was sie dabei beachten müssen: Dazu zählt neben Erste-Hilfe-Maßnahmen, den Arbeitsunfall innerhalb der gesetzlich vorgegeben Drei-Tage-Frist bei der zuständigen Berufsgenossenschaft zu melden. Durch die neue UVAV kann die Unfallanzeige seit 2024 auch digital erfolgen. Als Arbeitgeber müssen Sie die Unfallursache aufklären und mit geeigneten Präventionsmaßnahmen dafür sorgen, dass Ihre Mitarbeitenden so sicher wie nur möglich sind.